Hämophilie
Hämophilie A und B
Die Hämophilie, auch Bluterkrankheit genannt, ist eine Erbkrankheit. Betroffen sind vor allem männliche Patienten.
Durch eine genetische Veränderung auf dem X-Chromosom wird hier zu wenig von bestimmten Gerinnungsfaktoren gebildet, die zur Aufgabe haben, spontane Blutungen zu verhindern. Hierbei sind die Gerinnungsfaktoren VIII und IX von der Leber gebildete Eiweiße im Blut, die bei der Blutgerinnung eine besonders wichtige Rolle spielen. Im Rahmen des „plasmatischen Gerinnungssystems“ wandeln diese Gerinnungsfaktoren inaktive Faktoren in ihre aktive Form um und führen so zur Bildung des „Blut-Klebstoffes“ Fibrin.
Frauen besitzen zwei X-Chromosomen, Männer ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom. Frauen mit einer Mutation im X-Chromosom (Überträgerinnen oder Konduktorinnen) erkranken in der Regel nicht an einer schweren Form der Hämophilie, sind aber nicht selten von einer klinischen Blutungsneigung in verschiedener Ausprägung betroffen und können den Defekt über das defekte X-Chromosom an ihre Kinder weitergeben.
Bekommen eine Überträgerin und ein gesunder Mann einen Sohn, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass dieser eine Hämophilie hat, 50%. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Tochter eines solchen Paares Überträgerin sein wird, liegt ebenfalls bei 50%. Bekommen ein hämophiler Mann und eine gesunde Frau Kinder, sind alle Söhne gesund, alle Töchter Überträgerinnen. Es können aber auch, wenn zuvor sicher niemand aus der Familie daran erkrankt war, „Spontanmutationen“ einer Hämophilie auftreten.
In Deutschland leben etwa 10.000 Menschen mit Hämophilie, von denen etwa 2500 an der schweren Form leiden.
Man unterscheidet zwischen
- Hämophilie A: Verminderung des Gerinnungsfaktors VIII (acht)
- Hämophilie B: Verminderung des Gerinnungsfaktors IX (neun)
Aufgrund dieses Mangels kann es zu spontanen Blutungen, vor allem in Gelenke (diese werden dick und unbeweglich) oder Muskeln und anderen Organen kommen.
Wie sich eine Hämophilie klinisch bemerkbar macht, hängt aber vor allem vom Schweregrad des Gerinnungsdefektes ab. Man unterscheidet leichte Formen von mittelschweren und schweren Formen, je nachdem wieviel „Restfaktor“ der Patient bilden kann (Normal 70-100%).
Die schwere Hämophilie A (Restfaktor < 1%) kommt mit einer Häufigkeit von 1:5000 der männlichen Neugeborenen vor und ist etwa fünf- bis sechsmal häufiger als die Hämophilie B (1:25.000 bis 1:30.000).
Mittelschwere Hämophilie (Restfaktor 1-5%): Hier kann es auch bei leichteren Verletzungen zu Blutungen und Blutergüssen kommen. Bei einem Teil der Patienten kommen auch spontane Blutungen vor.
Bei der milden Verlaufsform hat der Restfaktor eine weite Breite von 5 bis 50%. Im Alltag gibt es hier bei den meisten Patienten wenig Probleme, wenngleich bei Patienten < 10-15% Faktor VIII unbemerkte „Mikroblutungen“ auch langfristig Gelenke schädigen können. In der Regel kommt es aber nur bei größeren Verletzungen sowie bei Operationen zu verstärkten Blutungen.
Die heutige Therapie besteht im Allgemeinen darin, prophylaktisch oder nur bei Bedarf den fehlenden oder defekten Faktor zu substituieren (ersetzen), um Blutungen auszuschließen. Die Therapie erfolgt in den meisten Fällen bei Hämophilie A, B oder von Willebrand-Syndrom durch Selbstbehandlung zuhause (intravenös) mit den fehlenden Faktoren. Patienten, die nicht selber spritzen können, werden entweder von uns geschult, durch einen Patientenservice oder durch Kooperation mit niedergelassenen Ärzten oder Krankenhäusern unterstützt.
Man unterscheidet plasmatische, aus menschlichem Blutplasma gewonnene, von gentechnisch hergestellten (rekombinanten) Gerinnungsfaktoren. Eine Weiterentwicklung dieser Präparate besteht in der verlängerten Halbwertzeit, wodurch die Präparate alle 2 Tage oder sogar nur einmal wöchentlich gespritzt werden müssen.
Zusätzlich gibt es zur Behandlung der Hämophilie A einen zugelassenen bispezifischen monoklonalen Antikörper, der subkutan injiziert wird. Es gibt hier aktuell viele Weiterentwicklungen und neue Therapieansätze, die bereits in den nächsten Jahren verfügbar sein werden. Für die Hämophilie A und B ist darüber hinaus auch eine Behandlung mit einer Gentherapie möglich.
Für mehr Informationen siehe auch: